Kultur – Eine andere Art von Behinderung

Es gibt einige Aspekte, die wir mit dem Wort „Kultur“ assoziieren. Anderes Essen, andere Musik und andere Sitten. Mit der zunehmenden Globalisierung, muss man sich heutzutage mit verschiedenen Kulturen auseinandersetzen. Doch in wie fern hat das jetzt mit Behinderung zu tun?
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Viele sagen immer, wie toll das ist, wenn man mit verschiedenen Kulturen aufgewachsen ist und wie viel man davon mitnimmt. Was viele jedoch verschweigen ist, wie hart es manchmal ist, die Balance zwischen diesen Parallelwelten aufrecht zu halten. In der einen Kultur ist etwas völlig normal und in der anderen überhaupt nicht. Man ist eingeschränkt in seinen Handlungen, seiner Meinung und Wahrnehmung für bestimmte Dinge. Anderes gesagt: Man wird behindert!

Einem Kind, mit Migrationshintergrund wird schon früh klar, dass es anders ist, als die Anderen. Nicht weil es anders aussieht oder anders spricht. Nein – die kulturellen Differenzen machen es einem mehr als deutlich, dass man anders ist. Besonders komisch wurde es für mich, als in der Schule das Thema Fortpflanzung durchgenommen wurde. Für die Lehrerin und den Eltern meiner deutschen Freunde war es völlig normal darüber offen zu reden. Jede Frage wurde souverän beantwortet und es wurde oft genug klar gemacht, dass es das Natürlichste auf der Welt ist. Zuhause jedoch war das alles anders. Es war ein Tabuthema! „Warum nehmt ihr dieses Thema jetzt schon durch? Warum möchtest du überhaupt was darüber wissen? Du bist dafür noch viel zu klein, um es zu verstehen und bitte frag nicht mehr!“ Als Kind kam es mir so vor, als hätte ich etwas verbrochen, als wäre ich nicht normal, weil ich diese Fragen im Kopf hatte. Plötzlich war es das Unnatürlichste auf der Welt.

Mit meinem ersten Aufenthalt in Syrien kamen weitere „komische Situationen“ hinzu. Ich wollte etwas einkaufen. Natürlich konnte ich die Ware erst bezahlen, nachdem der Verkäufer aufhören konnte mich anzuglotzen. Doch daran bin ich gewöhnt. Im Nahen Osten sieht man schließlich nicht oft Rollstuhlfahrer. In Deutschland werde ich auch ziemlich oft angesehen, obwohl es da mehr Rollstuhlfahrer in der Öffentlichkeit zu sehen gibt. Schön, dachte ich mir. Wenigstens gibt es in diesem Punkt Gemeinsamkeiten, trotz der verschiedenen Kulturen. Als ich mit dem Einkauf zurück in die Wohnung meiner Cousine kam, wurde ich erst mal für verrückt erklärt, da ich mit dem Verkäufer nicht verhandelt hatte. Am nächsten Tag, machte ich den nächsten großen „Fauxpas“. Als wir draußen waren, lächelte mich ein älterer Herr an und ich lächelte zurück. Auch wenn es ein „Angst-lächeln“ war. Mit demselben Lächeln begegnete ich nämlich auch großen Hunden, da ich Angst habe, dass sie mich sonst anspringen. Trotzdem empfand ich es als unhöflich, wenn ich nicht zurück lächeln würde. Natürlich wurde ich direkt darauf hingewiesen, dass es nicht normal sei, einen Fremden in Syrien anzulächeln.

Mittlerweile nehme ich all diese kulturellen Unterschiede mit Humor. Wie heißt es so schön „Komik ist Tragik in Spiegelschrift“. Das waren jetzt nur zwei kleine Beispiele, obwohl es mindestens noch eine Million weitere gibt. Es ist alles andere, als einfach mit all diesen Unterschieden herauszufinden, wer man wirklich ist. Was nun richtig oder falsch ist. Das kann einem Menschen nachhaltig in seinem Bewusstsein schaden. Nicht nur ein Rollstuhl oder Krücken können einen Menschen im Leben behindern, sondern auch in verschiedenen Kulturen aufzuwachsen und nicht zu wissen, was nun „das Richtige ist.“ Kultur ist eine gesellschaftliche Volksbehinderung, die es nicht zulässt, sich voll und ganz auf andere Menschen einzulassen. Barrieren sind nicht unbedingt immer nur Treppen oder fehlende Fahrstühle, sondern auch Verständnislosigkeit für andere Menschen, die anders aussehen oder andere Musik hören. Im Alltag ist das kaum jemandem bewusst, doch genau diese kleinen Dinge bringen Vorurteile hervor, die uns in unserem Umgang mit anderen Menschen negativ beeinflussen.

Man sollte meinen, dass mit der zunehmenden Globalisierung und den offenen Grenzen so etwas kein Thema mehr sein sollte. Doch das ist es nach wie vor! Umso mehr die Technologie sich entwickelt hat, umso mehr entwickeln sich die Menschen scheinbar zurück. Aktuell spricht die gesamte EU über den BREXIT. Die patriotischen Starrköpfe in Großbritannien haben mit einem einzigen Referendum, die Generation einer gesamten Nation in eine unsichere Zukunft gedrängt. Nur weil sie ihre kulturellen Werte vor alles andere gestellt haben. Das ist kurz gesagt behindert!

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2 Antworten

  1. „Kultur ist eine gesellschaftliche Volksbehinderung, die es nicht zulässt, sich voll und ganz auf andere Menschen einzulassen“ – gilt das eventuell auch für die Gehörlosenkultur – etwa wenn sie die Verwendung der Lautsprache komplett verweigert, und dadurch auch selbst eine Barriere zu den hörenden Menschen aufbaut??

  2. „Kultur ist eine gesellschaftliche Volksbehinderung, die es nicht zulässt, sich voll und ganz auf andere Menschen einzulassen“ – gilt das eventuell auch für die Gehörlosenkultur – etwa wenn sie die Verwendung der Lautsprache komplett verweigert, und dadurch auch selbst eine Barriere zu den hörenden Menschen aufbaut?? – und in der Gehörlosenkultur ist man ja auch teilweise sehr empfindlich, wenn sie von Hörenden aufgegriffen wird, so dass dann auch schnell der Vorwurf der kulturellen Aneignung kommt…..

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