Unfuckable ??!!

Es gibt viele Labels, die man Menschen aufdrückt, ohne sie zu kennen. Wir Rollstuhlfahrer tragen das Label „unfuckable“. Unter all den Vorurteilen gegenüber gehandicapten Menschen, ist das, das Größte!
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Das Leben eines Singles ist schwer. Noch schwieriger ist es, wenn man sich bewusst für so ein Leben entschieden hat. Aber am schwierigsten ist es, wenn man ein bewusstes Single-Leben führt und behindert ist. Ich gebe zu, ich stamme aus der Generation „beziehungsunfähig“. Nein – das ist keine Ausrede für ein Lebensstil, der sich bewährt hat. Meine Generation hat sich anscheinend über eine gewöhnliche Beziehung hinweg entwickelt. In einer Welt, in der wir alles, zu jeder Zeit, an jedem Ort bekommen können, sind Liebesbeziehungen nicht mehr die oberste Priorität. Und wenn wir eine Beziehung haben, dauert sie meisten nur so lange, bis wir ein neues Profilbild auf Facebook oder WhatsApp hoch geladen haben. Mittlerweile ist es wichtiger geworden ein Pikachu zu fangen, als sich einen Partner.

Trotz allem, werde viele Singles von der Gesellschaft ständig als arme, einsame, verstoßene und ungeliebte Menschen angesehen. Umso mehr ein Single versucht, anderen diese bewusste Entscheidung klar zu machen, umso mehr wird er bemitleidet. Redet man nicht darüber, heißt es „Du musst doch mal über deine Probleme reden können. Es muss doch jemanden geben….“ Es ist ein ewiger Teufelskreis! Wenn man zu allem „Übel“ noch gehandicapt ist, wird es richtig schwierig.

Ich weiß nicht welches Vöglein gezwitschert hat, dass wir Rollstuhlfahrer alle unbedingt eine Beziehung haben wollen. So viele Menschen, denen ich erzähle, dass ich mich bewusst für ein Single-Leben entschieden habe, verstehen das komplett falsch. Meistens läuft es immer auf das Eine hinaus. Nicht das, was ihr jetzt denkt, sondern auf so was, wie: „Ach Süße, nur weil Du behindert bist, heißt es ja nicht, dass Dich niemand als Freundin haben will.“ Letztendlich wird alles darauf reduziert. „Ach du kannst dir keine Namen merken? Das liegt bestimmt an deiner Behinderung. Du hast immer noch kein Pikachu gefangen? Das liegt bestimmt an deiner Behinderung…“ Schade, dass man sich mit virtuellen Pokebällen kein Verstand fangen kann.

Noch unterhaltsamer ist es, wenn man mit einem Fremden darüber spricht. Ich erzählte einer Verabredung, dass ich zwar keine Beziehung suche, aber jemandem vertrauen muss, bevor ich mit ihm intimer werden kann. Nach dem diese Worte meine Lippen verließen, konnte ich förmlich in seinen Augen sehen, wie bei ihm die Alarmglocken läuteten. Nach dem Motto „Achtung, Achtung – Vertrauen=Zuneigung, Zuneigung=Gefühle, Gefühle=Liebe und Liebe=Beziehung!“ Eigentlich wollte ich damit nur sagen „Ich will nicht nackt in meinem Bett zurück gelassen werden, um eine peinliche Begegnung mit meiner Pflegerin zu vermeiden oder in sonst irgendeiner peinlichen Situation zu landen.“ Aber das kam ihn gar nicht in den Sinn. Plötzlich sah er in mir die Frau, die ihn unbedingt als Freund haben will und am besten noch 10 Kinder in derselben Nacht zeugen möchte. Das kam mir so lächerlich vor, sodass ich ihm gar nichts mehr erklären wollte.

Es gibt da aber noch eine andere Sorte von Mann. Die Sorte „Ich kann es kaum glauben, dass ich sie wirklich rum gekriegt habe“. Wer kennt das nicht? Man hat einen netten Abend, etwas Alkohol ist auch noch dabei gewesen und es herrscht eine vertraute Zweisamkeit. Vor kurzem erst hatte ich genau so einen Abend. Es war eine sehr gelassene Stimmung und ich kam jemandem näher. Doch umso näher wir uns kamen, umso tollpatschiger wurde er. Im Verlauf des Abends kam es mir vor, als wäre ich bei einem Auftritt von Chris Tall. „Darf ich das? Darf ich das?“ Bei jeder Berührung wollte er von mir eine Einverständniserklärung. „Ich hätte ihm vorher vielleicht eine Vollmacht geben sollen?“ dachte ich mir in dem Moment. Als hätte er Angst mich ausversehen „kaputt“ zu machen.

Aufgrund solcher Ereignisse, wollte ich mit einem Mann nicht mehr weiter gehen, ohne ihn wenigstens ein bisschen kennen gelernt zu haben. Das hat nichts mit Gefühlen oder Bindung zu tun, sondern mit der eigenen Sicherheit. Leider trägt kaum ein Mensch, das Label „Sicher“. Generell sind Labels zu überbewertet. Single, verheiratet oder „in einer Beziehung mit“, sind nur Labels, die uns die Gesellschaft aufdrückt, um Menschen besser in eine Schublade stecken zu können. Doch lasst mich eins sagen, man kann keinen Menschen in eine Schublade stecken und schon gar nicht Rollstuhlfahrer. Wir sind zu groß, zu schwer und zu unhandlich, um uns in eine packen zu können. Jeder Mensch hat Bedürfnisse. Wir Behinderte haben sie natürlich auch. Wir können essen und trinken, also können wir auch Sex haben. Sex ohne Verpflichtungen oder Beziehungen. Denn wir sind auch zum Vögeln gut. „Unfuckable“ sind nur Menschen, die das Leben, aus der Sicht einer offenen Schublade betrachten.

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