Was haben Migration und Inklusion gemeinsam?

Deutschland – Das Land der Dichter und Denker, entwickelt sich immer mehr zum Land der dichten Denker! Wir Deutsche lieben es simple Sachverhalte kompliziert und schwierig darzustellen, damit kaum jemand unserer System begreifen, oder sich gar darin integrieren kann. Die Diskussionen über dieses äußerst bekannte Wörtchen „Integration“ nehmen kein Ende.
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In einem Land, wie Deutschland, könnte ich als einzelne Person, alle drei Quoten erfüllen, die es in einem Unternehmen so gibt. Ich bin eine Frau, mit einem Migrationshintergrund und einem Inklusionsvordergrund. Dass ich ursprünglich aus dem Nahen Osten stamme, sieht man mir nicht an, doch meine Behinderung prescht so deutlich vor, wie aktuell Jan Böhmermanns Schmähgedicht in der Türkei. Als junge Frau, die zwischen der Integration und Inklusion sitzt, merke ich immer wieder, wie viele Parallelen es doch dazu gibt. Weder für Menschen mit einem Migrationshintergrund, noch Menschen mit Behinderung ist dieses Land gewappnet.

Aber was macht es so schwer, sich hier in Deutschland zu integrieren? Und was haben jetzt Migration und Inklusion gemeinsam?

Im Grunde werden Migranten und Menschen mit Behinderung in Deutschland ähnlich angesehen. In Deutschland ist man auch in irgendeiner Art und Weise Behindert, wenn man die deutsche Sprache nicht richtig beherrscht. Für beide erschafft man eine Parallelwelt, anstatt sie in die Gesellschaft zu integrieren. Das Wort „Inklusion“ benutzt man, damit es keine Irritationen gibt zwischen Integration und Inklusion. Generell erschafft man gerne neue Worthülsen, damit man schön kleinbürgerlich und engstirnig beide Begriffe unterscheiden kann.

Inklusion – Ein Wort, welches sogar meine Autokorrektur noch nicht mal kennt und ständig rot unterstreicht. Wenn sogar mein Schreibprogramm dieses Wort nicht kennt, wie soll ich denn von anderen Menschen, die noch nie was damit zu tun hatten, erwarten, dass sie wissen, was das ist?

Für fast alles in meinen Leben musste ich bisher selbst an diverse Türen kloppen und sagen „Hey hier bin ich. Ich möchte ein Antrag für dies und jenes stellen.“ Die Rechte und Gesetze dafür gibt es. Doch kaum jemand benutzt bzw. kennt sie. Alles ist so verzwickt und versteckt, sodass es noch schwieriger ist herauszufinden, was einem zusteht. Hier mache ich aber nicht unbedingt den Staat dafür verantwortlich, sondern eher uns Rollstuhlfahrer bzw. gehandicapte Menschen, die sich nicht selbst für ihre Rechte einsetzten. Wir warten ständig bis es uns jemand in den Schoß legt.

So ähnlich sieht es auch bei den Migranten aus. Menschen mit Migrationshintergrund werden auch anderes behandelt, nur weil sie die Sprache nicht beherrschen. Seit Jahren entstehen viel mehr Ghettos und Wohnviertel, in denen man mehr unter sich ist.

Selbst, wenn man sich nun dazu entschlossen hat, diese Rechte, die uns allen zustehen, zu nutzen, wird man vor viele Hindernissen gestellt. Besonders bei den deutschen Ämtern merkt man das immer wieder. Die Ämter sind heutzutage vergleichbar mit Rollstuhlfahrern. Sie sind ohne ihren Rollstuhl völlig hilflos. Die Beamten hingeben reiten auf Paragrafen herum, als wäre es ein Rollstuhl, ohne den sie nicht Nachdenken können. Sie erwarten von einem Flüchtling tatsächlich, dass sie Wörter wie „Inanspruchnahme, Grundstücksentwässerungsanlage oder Restmüllbeseitigungsbehälterentleerung“ verstehen. Wie soll das bitte ein Flüchtling, der erst vor kurzem in Deutschland eingereist ist verstehen? Selbst ein Deutscher versteht nicht all diese Begriffe. Die Beamten hingegen verstehen nur solche Worte. Das ist für sie eine Art Code, den man knacken muss, um ins zweite Level zu kommen. Das zweite Level ist in dem Fall, den richtigen Antrag in die Hand gedrückt zu bekommen. Wenn man dann auch noch genug Ausdauer hat, um das Gesetz wirklich geltend zu machen, dann hat man es geschafft, vorerst! Denn eigentlich muss man nicht nur ein oder zwei Anträge für seinen persönlichen Bedarf stellen, sondern gefühlt Hunderte, bis man fertig ist. Bestenfalls hat der Sachbearbeiter, der vor einem steht so etwas schon mal gemacht und kann dir sagen, wie es weiter geht. Aber in der Regel hat er sogar noch weniger Ahnung, als man selbst, obwohl das sein Job ist.

Ich durfte beides hautnah miterleben und könnte theoretisch damit bei einer Comedy Sendung auftreten. An einem Montagmorgen, sollte ich im Ausländeramt für eine Frau, die aus ihrer Heimat geflüchtet ist, übersetzen. Die Begrüßung war schon fantastisch. Die Sachbearbeiterin begrüßte die Frau mit „Guuuten Taaag Frau xxxx“ Schön langsam und laut, so als wäre die Frau neben mir taub! Dann kam die Sachbearbeiterin zu mir. „Klappt das so mit ihrem Rollstuhl? Können sie auch sprechen und mich verstehen?“ Ich war kurz davor mich taub zu stellen, um die Reaktionen weiter zu testen, aber das habe ich dann unterlassen. Stattdessen antwortete ich „Ja, kann ich! Sie mich auch?“ Sie nickte und lächelte mich leicht irritiert an. Ich riss mich zusammen und übersetzte alles unkommentiert. Jede einzelne Frage, die sie mir gestellt hat, betonte sie peinlich genau. Mit dieser „leichten Sprache“ hat die Beamtin weiterhin mit mir geredet. Bis dahin fand ich es ja schon sehr unterhaltsam, doch es kam noch besser. Ich musste ernsthaft Dinge übersetzten wie: „ Sie dürfen nicht ihre Kinder zu Tode prügeln. In Deutschland wäscht man sich in der Dusche oder Badewanne. Sie dürfen nicht klauen…“ usw. Scheinbar ging die Beamtin im Ausländeramt davon aus, wenn man nicht aus Deutschland kommt, hält man all das für nicht selbstverständlich. Innerlich schüttelte ich nur noch meinen Kopf. Irgendwann kamen wir dann auch zum Ende und die Sachbearbeiterin fragte mich einige private Dinge. „In welcher Behindertenwerkstatt arbeiten sie denn?“ Erneut versuchte ich mir meine sarkastischen Sprüche zu unterdrücken. „Ich studiere BWL.“ Die Sachbearbeiterin starrte mich mit großen Augen an. „Ach, sie studieren. Und wo haben sie kurdisch und arabisch gelernt?“ Ich sagte ihr, dass ich ursprünglich aus Syrien komme. Dann kam der Standardspruch, den vermutlich jeder kennt, der eine andere Muttersprache hat. „Sie können aber gut Deutsch.“ Ab dem Moment konnte ich mir einfach nicht mehr meine Sprüche verkneifen: „Ja klar, nach mehr als 22 Jahren sollte man doch die Sprache beherrschen?! Abgesehen davon habe ich fast mein gesamtes Leben hier verbracht!“ Die Sachbearbeiterin merkte, dass ich langsam genervt war und lies uns dann endlich gehen.

Als ich raus ging, dachte ich über die Situation noch mal nach und kam auf die Erkenntnis, dass jeder irgendwie behindert ist. So lange wir alle zwischen Migranten, Deutschen, Behinderten und Gesunden unterscheiden, bleiben wir alle irgendwie eingeschränkt und gehandicapt in unser Sichtweise auf andere Menschen!

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